Bei der derzeitigen Versorgung psychischer Unfallfolgen besteht Optimierungsbedarf. Um passende Hilfsangebote in Anspruch nehmen zu können, müssen Betroffene oft erst einige Hürden überwinden. Auf dieser Seite können Sie sich über mögliche Schwierigkeiten und Hindernisse bei der Aufnahme eines Versorgungsangebotes informieren.
Wird eine Person bei einem Verkehrsunfall körperlich verletzt, so ist es selbstverständlich, dass sie medizinisch versorgt wird. Bei psychischen Unfallfolgen ist dies leider (noch) nicht der Fall. Unwissen, Scham oder sozialer Druck können die Aufnahme einer passenden Behandlung erschweren.
In den letzten Jahren hat sich die Sicht auf psychische Störungen in den Medien, der Politik und der Gesellschaft insgesamt gewandelt. Einige prominente Beispiele (z. B. der ehemalige Fußballnationalspieler Peer Mertesacker) verdeutlichen, dass psychische Beschwerden kein Tabuthema mehr sind. In diesem Sinne möchte auch hilfefinder.de einen Beitrag dazu leisten, dass psychische Unfallfolgen mehr Akzeptanz erhalten. Nehmen auch Sie Ihre Beschwerden ernst, informieren Sie sich und holen Sie sich Hilfe.
Für die Kostenübernahme von psychotherapeutischen Leistungen infolge von Straßenverkehrsunfällen kommen verschiedene Kostenträger in Frage, u. a.: die gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen, die Kfz-Haftpflichtversicherungen, die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (Berufsgenossenschaften, Unfallkassen), die Rentenversicherungen, die Arbeitslosenversicherung oder die Betroffenen selbst (Selbstzahler).
Je nachdem welcher Kostenträger verantwortlich ist, müssen unterschiedliche Hürden (z. B. Wartezeiten, Gutachtenverfahren, Klärung der Schadensfrage) gemeistert werden. Ebenso gibt es Unterschiede in den Abläufen und Leistungen, die in Anspruch genommen werden können.
Die Folgen von Straßenverkehrsunfällen sind vielfältig (körperliche Verletzungen, psychische Beschwerden, juristische Fragen, soziale Probleme usw.). Für die verschiedenen Problembereiche gibt es unterschiedliche Institutionen, an die Sie sich wenden können.
Eine bundesweite, die verschiedenen Fachdisziplinen übergreifende Vernetzung zwischen diesen Institutionen existiert derzeit nicht. Erkundigen Sie sich bei „Ihrer“ Institution (Anwältinnen und Anwälte, Therapeutinnen und Therapeuten, Ärztinnen und Ärzte, Versicherung) welche regionalen Netzwerke bestehen bzw. welche Ansprechpersonen Ihnen genannt werden können.
In Deutschland gibt es einige wenige Stellen, die Beratung und konkrete Hilfe für Verkehrsunfallopfer mit psychischen Beschwerden anbieten (Hilfefinder).
Für uns selbst ist es oftmals nicht einfach zu erkennen, ob wir an psychischen Unfallfolgen leiden oder nicht. So können psychische Symptome (z. B. Angst oder depressive Stimmung) beispielsweise durch körperliche Beschwerden (z. B. Schmerzen, Erschöpfung) „überdeckt“ werden. Viele Menschen wollen oder können nicht akzeptieren, dass sie ein Unfall „aus der Bahn“ geworfen hat und sie professionelle Hilfe benötigen.
Ob Sie bereits psychisch erkrankt oder auf dem Weg dahin sind, können nur Fachleute (Psychotherapeut/Psychotherapeutin, Psychiater/Psychiaterin) entscheiden. Werden psychische Beschwerden nicht behandelt, können sie sich verschlimmern und chronisch werden. Nehmen Sie Ihre Beschwerden daher ernst und holen Sie sich Unterstützung. Unser Trauma-Check kann Ihnen erste nützliche Hinweise geben.
Psychische Beschwerden infolge von Verkehrsunfällen müssen nicht unmittelbar nach dem Ereignis auftreten. Beschwerden können auch verzögert, d. h. Tage, Wochen, Monate oder in seltenen Fällen auch erst Jahre nach dem Unfall auftreten. Je mehr Zeit zwischen dem Unfall und dem Auftreten psychischer Beschwerden liegt, desto schwieriger ist es, diesen Zusammenhang zu erkennen. Der Nachweis dieses Zusammenhangs kann bei der Klärung des zuständigen Kostenträgers wichtig sein.
Wenn Sie einen psychotherapeutischen Behandlungsplatz suchen, müssen Sie mit Wartezeiten rechnen. Dies gilt insbesondere, wenn der Kostenträger der Behandlung die gesetzliche Krankenversicherung ist.
Einer Studie der Bundespsychotherapeutenkammer1 zufolge, betrug 2018 die Wartezeit auf einen ersten Termin in der psychotherapeutischen Sprechstunde im Bundesdurchschnitt 5,7 Wochen. Die Dauer zwischen Anfrage und Akutbehandlung betrug deutschlandweit 3,1 Wochen. Eine Richtlinienpsychotherapie beginnt hingegen durchschnittlich erst knapp fünf Monate (19,9 Wochen) nach der ersten Anfrage (Bezugsjahr 2017). Dabei unterscheiden sich die Wartezeiten in den Bundesländern zum Teil erheblich.
Laut Gesetzgeber können gesetzlich Krankenversicherte sich von einer Psychotherapeutin oder einem Psychotherapeuten ohne Kassenzulassung behandeln lassen, wenn zeitnah kein Platz in einer kassenzugelassenen Psychotherapie zur Verfügung gestellt wird (Kostenerstattungsverfahren).
1 BPtK-Auswertung: Monatelange Wartezeiten bei Psychotherapeut*innen, 29.3.2021 https://www.bptk.de/wp-content/uploads/2021/03/20210329_pm_bptk_monatelange-Wartezeiten.pdf